Bericht prangert an, dass Missbrauch der Polizei in den USA geduldet wird

In einem heute veröffentlichten Bericht beschuldigt Human Rights Watch die örtlichen Verwaltungen und die Bundesbehörden, nichts zu tun, um eine weitverbreitete Verletzung der Menschenrechte in den USA zu unterbinden: die Brutalität der Polizei.



Im Überblick: Bericht von Human Rights Watch über die Polizeigewalt in den USA

Der 450 Seiten starke Bericht prangert an, daß bei oberflächlichen internen Untersuchungen Polizeibeamte nicht für ihre mißbräuchlichen Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden und aus ihnen nur selten eine strafrechtliche Verfolgung resultiert. Zivilen Kontrollorganen fehlt es an Mitteln und dem nötigen Zugang für eine angemessene Kontrolle der Polizei. Einige Städte wenden Beträge in zweistelliger Millionenhöhe (US$) aus Steuergeldern für Zivilklagen wegen angeblicher Brutalität auf, anstatt die eigentlichen Probleme anzugehen.

Der Bericht basiert auf einer Studie, die zwei Jahre lang in 14 Städte durchgeführt wurde und bei der verschiedene Probleme zutage traten, die ihnen allen gemeinsam sind. Bei diesen Städten handelt es sich um: Atlanta, Boston, Chicago, Detroit, Indianapolis, Los Angeles, Minneapolis, New Orleans, New York, Philadelphia, Portland, Providence, San Francisco und Washington D.C..

„In den Polizeidienststellen wird gern behauptet, daß es sich bei jedem schwerwiegenden Mißbrauch um die Verfehlung eines ,Einzelgängers' unter den Beamten handelt", erklärte Kenneth Roth, Executive Director von Human Rights Watch in New York. „Aber diese Menschenrechtsverletzungen dauern an, weil die Systeme der Rechenschaftspflicht so mangelhaft sind."

Mißbräuchliche Handlungen, wie z.B. ungerechtfertiger Schußwaffengebrauch, Erdrosselungen und andere Formen von körperlicher Gewaltanwendung, wurden aus Städten in allen Teilen der USA gemeldet. Diese mißbräuchlichen Handlungen und die fehlende Bereitschaft der Behörden, sie zu unterbinden, stellen eine Verletzung der internationalen Menschenrechtsverträge dar, denen die USA verpflichtet sind. Darüber hinaus kommt es auch zu Verstößen gegen die Vorschriften der meisten Polizeidienststellen sowie gegen Gesetze der USA und der Bundesstaaten. Außerdem ist das Verrat an der Öffentlichkeit, der zu dienen diese Beamten geschworen haben.

Angaben über Mißbrauch in der Polizei sind nur sehr schwer zu beschaffen. Interne Untersuchungsgremien arbeiten unter dem Mantel des Schweigens und geben nur widerwillig selbst grundlegende Informationen über ihre Tätigkeit. 1994 wies der Kongreß das Justizministerium an, Statistiken zu erstellen und einen Jahresbericht über die Anwendung von übermäßiger Gewalt im gesamten Land zu erarbeiten. Fast vier Jahre später wurde noch immer kein solcher Bericht veröffentlicht.

Human Rights Watch gibt folgende Empfehlungen für eine Reform:

· Bundeshilfe für die Polizeidienststellen sollte von einer regelmäßigen Berichterstattung über übermäßige Gewaltanwendungen und einer Verbesserung der Aufsicht und Disziplin abhängig gemacht werden.

· In der Polizei und unter führenden Politikern sollte eine Politik eingeführt werden, die keinerlei Toleranz für Mißbrauch zeigt.

· Es sollten Frühwarnsysteme geschaffen werden, um „Risikobeamte" zu ermitteln und Beamte, die mißbräuchliche Handlungen begangen haben, zu entlassen.

· Es sollten ausreichende Mittel und politische Unterstützung für die zivilen Kontrollorgane bereitgestellt werden.

· In allen Bundesstaaten sollten spezielle Staatsanwälte für die strafrechtliche Verfolgung der Polizei eingestellt werden.

In den Städten, für die Angaben verfügbar waren, wurden Menschenrechtsverletzungen häufiger von Minderheiten als von weißen Bürgern angezeigt, wobei diese Anzeigen bei weitem ihren Anteil an der Bevölkerung dieser Städte überstiegen. Die Polizei unterzog Minderheiten einer offenkundig diskriminierenden Behandlung, und es kam zu körperlicher Mißhandlung unter rassistischen Beschimpfungen.

Der Fall Abner Louima, in dem im vergangenen Jahr in New York ein haitianischer Einwanderer Beamte beschuldigt hatte, ihn mit einem Stock sexuell mißbraucht und geschlagen zu haben, erschütterte die Welt. Die Beamten, die von dem Vorfall wußten, waren nicht bereit, diesen sofort zu melden oder später Informationen darüber zu geben, und die mutmaßlichen Täter glaubten offenbar, daß sie bei dieser ungeheuerlichen Tat davonkommen würden, selbst wenn sie in einer belebten Polizeidienststelle stattfand. „Obgleich viele amerikanische Städte und sogar andere Länder New York als Vorbild für eine effektive Polizeiaufsicht ansehen, ist die Stadt auch ein Beispiel dafür, wie ein System der Rechenschaftspflicht nicht funktionieren sollte", äußert Roth.

In der Regel wurde bereits mehrfach Klage gegen diese brutalen Polizisten - die nur einen geringen Teil der Angehörigen einer Dienststelle ausmachen - erhoben, aber sie werden meist durch das Schweigen ihrer Kollegen und die unzulänglichen internen Untersuchungen der Polizei gedeckt. Ihre Gewalttaten werden erst bekannt und bekämpft, wenn sie einen so flagranten, so zwangsläufig peinlichen Mißbrauch begehen, daß er nicht ignoriert werden kann. Und selbst wenn der einzelnen Beamte schließlich angemessen gemaßregelt wird, entgehen seine Vorgesetzten, die solchen Mißbrauch eigentlich zu unterbinden haben, zumeist einer Überprüfung oder Disziplinarmaßnahmen.

In der Praxis erlauben Zivilprozesse den Polizeidienststellen im übrigen, mißbräuchliche Handlungen ihrer Beamten zu übergehen. Die Entschädigungen für die Opfer werden nicht von den Polizeidienststellen oder dem Beamten persönlich bezahlt. Fast immer bezahlt die Stadt den Vergleich oder Schiedsspruch. In den meisten Städten wird keine Untersuchung aufgrund der Akten, des Vergleichs oder des Urteils eines Zivilprozesses gegen einen Beamten eingeleitet, ganz gleich wie schwerwiegend die Anschuldigungen sind. Die Leistungsbeurteilung des Beamten ist in der Regel nicht betroffen.

Eine strafrechtliche Verfolgung von Polizeibeamten ist selten. Die örtlichen Staatsanwälte verfolgen nur ungern Fälle von Beamten, denen Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt werden, weil sie normalerweise bei der Strafverfolgung eng mit der Polizei zusammenarbeiten. Einen solchen Fall zu gewinnen, kann sehr schwierig sein, weil die Opfer selbst Straftäter sein können und viele Geschworene dazu neigen, eher den Polizeiberichten zu glauben. Auch eine Strafverfolgung von Polizeibeamten auf Bundesebene im Rahmen des bürgerlichen Strafgesetzes erfolgt selten. So wurden z.B. im Wirtschaftsjahr 1996 von insgesamt 11 721 Klagen, die bei der Abteilung für Grundrechte des Justizministeriums eingingen, nur 37 Fälle von Rechtsverletzungen durch Polizisten einem Voruntersuchungsgericht vorgelegt, und in insgesamt 29 Fällen kam es zu einer Verurteilung oder Einrede.

„Die lokalen und föderalen Staatsanwälte tun einfach nicht ihre Arbeit, Fällen von Polizisten nachzugehen, denen Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt werden. Die Regierungen der Bundesstaaten müssen spezielle Staatsanwälte einsetzen, wenn sie diesen schrecklichen Verbrechen entgegenwirken wollen", bekräftigt Roth.